Anna-Lena Steidle, Goldschmiedin und Schmuckdesignerin aus Hamburg, im Gespräch über den Spagat zwischen Tradition und Gegenwart.

„Ich kann selbst auch noch mutiger werden“

Anna-Lena Steidle, Goldschmiedin und Schmuckdesignerin aus Hamburg, im Gespräch über den Spagat zwischen Tradition und Gegenwart.

Von Lena Haunstetter

28. März 2023

Die moderne Welt fordert immer mehr, dass man agiler und flexibler reagiert. Inwiefern trifft das auf Dich

und Deine Arbeit als Goldschmiedin zu Anna-Lena?

Ich designe den Schmuck nicht nur, sondern stelle ihn her und vertreibe ihn auch selbst. Auch kümmere ich mich um Marketing, meinen Instagram Kanal, aber auch um Shootings für meinen Online-Auftritt.

Eine One-Woman -Show?

Sozusagen, ja.

Macht die Außendarstellung einen großen Teil Deiner Arbeit aus?

Auf jeden Fall. Es ist mir wichtig, dass, ich mein Label ANNALENASTEIDLE mit hochwertigen Bildern, beispielsweise auf Instagram, präsentiere.

Gibst Du auch Workshops?

Ja. Anderen Menschen das Handwerk näher zu bringen und dadurch ein anderes Verständnis für handgefertigten Schmuck zu schaffen, finde ich sehr schön. Die Nachfrage ist groß, das hat sich super entwickelt. Für mich persönlich ist es auch eine gute Abwechslung zu meinem sonstigen Arbeitsalltag.

Kennst Du die Beweggründe der Workshopteilnehmer*innen?

Definitiv ist Nachhaltigkeit ein Thema. Viele Menschen hinterfragen Produkte wieder mehr. Als ich damals meine Ausbildung begonnen habe, hat sich noch niemand damit beschäftigt, wie Gold überhaupt abgebaut wird. Woher es kommt. Da hat sich in den letzten Jahren in der Schmuckbranche sehr viel getan. Ich denke, dass sich immer mehr Leute darüber Gedanken machen: Wo kommen die Materialien überhaupt her? Indem sie selbst etwas anfertigen, möchten sie das Bewusstsein für das Produkt vertiefen.

Du sprichst von Nachhaltigkeit. Welche Materialien verwendest Du?

Ich selbst habe mich für ein recyceltes Konzept entschieden. Dafür kaufe ich hier in Hamburg bei einem alten, traditionellen Unternehmen mein Material ein. Dieses kauft wiederum alten Schmuck, Münzen und Silberbesteck an und trennt diese in die ursprünglichen Bestandteile auf. Schließlich kann ich das reine Material, ohne Qualitätsverlust kaufen. Für mich geht es nicht nachhaltiger. Gar kein neues Material zu gewinnen, sondern das zu verwenden, was es schon gibt. Deswegen ist es genau die richtige Lösung für mein Label, aber auch mich persönlich.

Das klingt nach bewusstem Konsum. Wie hast Du diesen in anderen Betrieben wahrgenommen?

Eine bleibende Erinnerung ist, dass immer viel Schmuck vorproduziert wurde. Für Kund*innen sollte alles direkt verfügbar sein. So arbeite ich nicht. Bei mir gibt es jedes Schmuckstück nur auf Bestellung. Für manche noch ein bisschen unüblich, aber so habe ich keinerlei Überproduktion.

Hat sich sonst noch etwas gewandelt?

Es gibt auf jeden Fall Veränderungen. Früher waren Goldschmiede Betriebe sehr traditionell. Jetzt gibt es viel mehr junge Menschen, die mutiger sind. Sich auch selbstständig machen und ihren eigenen Weg gehen. Ihre Nische finden. In meinem Kosmos damals habe ich das nicht so empfunden.

Und wie würdest Du Deinen Stil beschreiben?

Sehr simpel und zeitlos. Mit meinen Schmuckstücken spreche ich so eine große Zielgruppe an. Ob jung oder alt, jeder kann sich in meinem Sortiment wiederfinden. Je nachdem, wie man die Schmuckstücke miteinander kombiniert, kann man immer ein anderes Erscheinungsbild erreichen. Das Schmuckstück entweder schlicht tragen oder man kombiniert mehrere Schmuckstücke und kann dadurch ein ganz besonderes Aussehen erzielen.

Gilt das für Männer und Frauen oder anders gefragt: Wie stehst Du zu geschlechtsspezifischen Schmuck?

Diese Thematik wollte ich von Anfang an durchbrechen. Deswegen habe ich mich auch in meinen Onlineshop dafür entschieden nicht in Kategorien wie Männerschmuck und Frauenschmuck zu unterteilen. Es gibt Männer, die sich gerne vermeintlich weiblich kleiden und Frauen, die es lieber ein bisschen derber mögen. Das sollte jeder für sich selbst entscheiden. Meine Schmuckstücke sind Unisex.

Kann man sagen, dass es etwas Neues ist, Männer auf die Art miteinzubeziehen?

Ja. Definitiv. Ich bin auch ganz happy, dass es auch so gut ankommt.

Wie findest Du Deine Inspiration?

Andere Menschen und Mode inspirieren mich sehr. Am Wochenende war ich auf einer Veranstaltung und da war es für mich sehr interessant zu beobachten, was für Schmuck getragen wird. Eben auch von Männern. Das hat mich auf jeden Fall bestärkt und ich glaube, ich kann selbst auch noch mutiger werden.

Wie schaffst du den Spagat zwischen all den Aufgaben?

Es wird immer schwerer, weil die Zeit immer knapper wird. Ich muss auch noch ein bisschen dazu lernen, mir vielleicht auch wieder mehr Freizeit nehmen oder mich auch noch besser strukturieren.

Hat sich Deiner Meinung nach die beruflichen Anforderungen verändert?

Ja. Auch wenn ich ein Handwerk ausübe, um konkurrenzfähig zu sein, muss ich an meinen digitalen Kenntnissen arbeiten. Grundsätzlich denke ich, dass man sich in der jetzigen Zeit allgemein breiter aufstellen muss.